Tagebuch der Nordsee – Überführung einer Hallberg Rassy 352


Tagebuch der Nordsee – Überführung einer Hallberg Rassy 352

Von Enkhuizen im Ijsselmeer nach Kappeln an der Schlei

Tag 1

Am Sonntagnachmittag geht es los. Mit dem Auto fahren wir nach Enkhuizen, wo Werner und Sabine uns schon erwarten. Mit einem kühlen Bier und einem Glas Weißwein werden wir willkommen geheißen.

Der Liegeplatz im Ijsselmeer wird von den beiden aufgegeben. Die letzten Jahre fühlten sie sich hier sehr wohl, nun passt er nicht mehr zu ihren weiteren Plänen. Der neue Liegeplatz befindet sich in Kappeln an der Schlei, von hier aus soll es auf wochenlange Segelreisen gehen.

Tagebuch der Nordsee - Überführung einer Hallberg Rassy 352

Werner und Sabine segeln seit vielen Jahren zusammen. Erfahrung in langen Strecken über ein Gezeitenrevier wie die Nordsee haben sie jedoch noch nicht, deshalb bitten sie uns um Unterstützung. Und wir reisen gerne mit.

Nach einem leckeren Abendessen, einer Törnbesprechung und ein klein wenig Klönschnack heißt es ab in die Koje. Ab morgen haben wir ein straffes Programm.

Tag 2

Um 6 Uhr heißt es raus aus den Federn. Die erste Etappe ist nach Vlieland geplant.

Nach dem Frühstück um 8:00 Uhr heißt es dann: Leinen los! Für Werner und Sabine ein aufregender Moment, geht es doch in einen neuen Lebensabschnitt. Die Freude ist kaum zu übersehen.

Bei 3-4 Beaufort segeln wir hoch am Wind. Durch die Schleuse Kornwerdersand geht es ins Wattenmeer, an Harlingen vorbei.

Tagebuch der Nordsee - Überführung einer Hallberg Rassy 352

Ein kurzer Blick auf die Vlielander Hafenseite lässt keinen Zweifel: Der Hafen ist rappelvoll und dicht.

Keine Chance, dort die Nacht zu verbringen. Was tun? Schon raus auf die Nordsee? Eine Nachtfahrt ist eh geplant, doch wollen wir eine zweite vorausschicken? Dann wird es eine sehr lange Überfahrt bis Brunsbüttel. Ankern?

Dann die Lösung: Terschelling zeigt freie Plätze, hier können wir die Nacht verbringen. In dritter Päckchenreihe, in die Gasse passt gefühlt kein Stück Papier. Doch wir liegen fest und genießen einen weiteren Abend in gemütlicher Runde und Sonnenschein. Wind spüren wir nicht.

Tag 3

Heute wird es ernst. Die gesamte Kette der Nordseeinseln soll passiert werden, vorbei an der Wesermündung bis zum Nord-Ostsee-Kanal. Ziel ist Brunsbüttel – Ankunft morgen Abend gegen 18:00 Uhr geplant.

Für Sabine und mich ist es die erste Nachtfahrt, noch dazu auf einem derartigen Gewässer wie der Nordsee. Wolf teilt uns in Schichten ein, jeweils 4 Stunden Wachen und Schlafen im Wechsel.

Am Tag wird schon einmal geübt um in den Rhythmus zu finden. Bei 5-7 Knoten Wind und mäßiger Welle motoren wir uns stetig voran. Vorbei an Baltrum, Borkum, Juist, Wangerooge…hier entdecken wir Seehunde am Strand. Wir halten uns parallel zum VTG. Dort herrscht reger Verkehr und wir ahnen, dass es in der Wesermündung interessant werden wird.

Als in Höhe Norderney spektakulär die Sonne untergeht übernehmen Wolf und ich die erste Nachtschicht.

Tagebuch der Nordsee - Überführung einer Hallberg Rassy 352

Alles verläuft ruhig, die Augen gewöhnen sich langsam an das Dunkel. Die ersten Lichter tauchen auf,

zwei weitere Segler auf dem Weg in die Nacht. Die Hallberg Rassy bahnt sich zufrieden ihren Weg durch die Welle, wir genießen die warme Luft, bis wir um 22:00 Uhr an Werner und Sabine übergeben.

Nachts um 2 Uhr wieder Schichtwechsel. Die beiden hatten eine ruhige Fahrt ohne besondere Vorkommnisse und legen sich zufrieden in ihre Kojen.

Wir werden von einem unglaublichen Sternenhimmel und lauer Sommerluft empfangen. Der Mond leuchtet orange. Von Wind immer noch keine Spur.

Dafür kommt die Wesermündung deutlich näher.

Viele Ozeanriesen liegen auf Reede, es gilt sich einen Weg hindurch zu bahnen. Auf dem AIS-Plotter tummeln sich nur so die Dreiecke – wer liegt, wer fährt? Wir haben kaum Zeit den wunderschönen Sternenhimmel zu bewundern, unsere ganze Aufmerksamkeit liegt auf dem Wasser. Gehen wir vor dem Frachter hindurch oder hinter ihm? Laut AIS wird das Schiff mit 10 Knoten Geschwindigkeit deutlich hinter uns durch gehen. Also locker bleiben, das schaffen wir gut. Plötzlich nähert sich eine schwarze Wand – laut AIS läuft der Hochseefrachter mittlerweile mit 20 Knoten Fahrt über Grund.  Nicht weit hinter uns rauscht er durchs Wasser – wir sind beeindruckt!

Dann geht auch schon vor uns die Sonne wieder auf – geschafft!

Sabine zieht es an Deck, gerade als die Sonne über dem Horizont aufsteigt. Niemand möchte jetzt mehr schlafen. Miteinander fahren wir in den Tag. Eine tolle Crew auf einen tollen Törn.

Tag 4

Weiter geht es in die Elbe, wir fädeln uns mit all den Ozeanriesen in. Die Crew tauscht sich aus, jeder lernt von jedem, Wolfs Törnplanung erweist sich wie erwartet als goldrichtig. Wir liegen gut in der Zeit und freuen uns auf Brunsbüttel. Gegen Mittag kommen wir dort an.

Immer mehr Sportboote treffen ein. Geschleust werden wir nicht. Nach einiger Wartezeit werden wir in die Wartezone geschickt. Hier kann nicht an einem Steiger festgemacht werden. Uns so fahren wir mit unter Maschine munter im Kreis, sage und schreibe 3 (drei!!!) Stunden. Wir nutzen die Wartezeit um Radeffekt und Anstrahleffekt des Langkielers noch besser für Hafenmanöver zu verinnerlichen.

Dann dürfen wir endlich in die Schleuse einfahren.

Trotzdem sind wir unserem Zeitplan um drei Stunden voraus. Und so beschließen wir, die Fahrt bis Rendsburg fortzusetzen.

Die Fahrt im Kanal ist sehr beeindruckend. Zwei Containerschiffe passen gerade aneinander vorbei, eine schmale Spur bleibt den Seglern, schnell ist der Sinn der strengen Regeln im NOK ersichtlich.

Wir genießen die Fahrt, beobachten die Schiffe, genießen die Sonne – wohlgemerkt noch immer ohne Wind.

Im Eider Yachthafen finden wir einen schönen Liegeplatz. Der lange Schlag über 36 Stunden ist geschafft!!! Ein weiterer schöner Sonnenuntergang belohnt uns. Gemeinsam wird gekocht und gegessen. Bei einem Glas Wein und Bier geht ein aufregender Tag zu Ende.

Tagebuch der Nordsee - Überführung einer Hallberg Rassy 352

Tag 5

Weiter geht es durch den Nord-Ostsee-Kanal. Nur noch ein kleines Stück, dann kommt die Schleuse Kiel-Holtenau in Sicht.

Nun wird es spannend: Die kleine Schleuse ist wegen Reparaturarbeiten geschlossen. So können die Sportboote nicht wie erwartet separat geschleust werden, sondern müssen mit der Berufsschifffahrt durch die große Schleusenkammer.

Die Ozeanriesen machen versetzt fest, sodass wir gefahrlos hindurch nach vorne fahren können. So können wir vor ihnen bequem die Schleuse verlassen.

Tagebuch der Nordsee - Überführung einer Hallberg Rassy 352

Ein sehr beindruckendes Gefühl, neben diesen Hochhäusern zu schleusen. Die Besatzung beobachtet unser souveränes Schleusenmanöver und winkt fröhlich zu uns hinunter.

Entspannt passieren wir Laboe, dann werden endlich die Segel gesetzt. Bei 3-4 Beaufort geht es bei schönstem Sonnenschein in Richtung Maasholm. Hier machen wir fest und erleben einen weiteren schönen Sommerabend. Bald sind wir am Ziel.

Tag 6

Ein weiterer Tag bei wunderbarem Segelwetter bricht an. So beschließen wir, uns einen Segeltag auf der Ostsee zu gönnen, bevor wir in den Zielhafen einlaufen.

Bei dem frischen Ostwind steht vor Schleimünde eine ordentliche Welle. Wir beobachten die Crew einer Segelyacht beim Versuch unter Maschine im Wind stehend das Großsegel zu setzen. Der Mann am Mast hat seine liebe Mühe eine sichere Position zu finden. Abbruch – die Crew hat offensichtlich beschlossen weiter unter Maschine zu fahren.

Wir wollen es besser machen. Wir setzen zuerst die Fock und segeln hoch am Wind. Jetzt erst wird das Groß gesetzt. Ganz ohne Aufregung und Gefährdung der Crew geht das ganze vonstatten. So üben wir das Segelsetzen bei unseren SKS Törns und Skippertraining auch. Unsere kleine Coaching Session ist zu Ende und bei 4-5 Beaufort segeln wir entspannt in Richtung Dänemark.

Tagebuch der Nordsee - Überführung einer Hallberg Rassy 352

Während wir uns am Steuer abwechseln und Manöver fahren erläutert uns Manuela die Bedeutung der Kommunikation an Bord und des harmonischen Zusammenspiels der Crew. Teamplay ist wie im Berufsleben entscheidend für den Erfolg eines Segeltörns.

Der Wetterbericht meldet einen Umschwung ab 16:00 Uhr, sodass wir uns am Mittag auf den Rückweg machen. Eine gute Entscheidung. In Kappeln an der Schlei machen wir fest. Gerade als wir uns zu einem gemütlichen Bier im Cockpit versammeln, erleben wir einen Wolkenbruch wie aus dem Lehrbuch.

Es schüttet wie aus Eimern. Wir lehnen uns zufrieden zurück, dankbar für einen ganz und gar geglückten Törn. Glücklich nehmen Sabine und Werner ihr neues Zuhause in sich auf. Noch einmal wird gekocht. Dann geht der letzte Tag zu Ende.

Am nächsten Morgen fahren wir alle gemeinsam mit dem Mietwagen zurück nach Enkhuizen, wo wir unsere Fahrzeuge abholen und den Heimweg antreten. Ab Donnerstag heißt es dann für Sabine und Werner: Auf in ein neues Segelabenteuer! Wir wünschen ihnen dafür alles Glück der Welt.

Danke dass wir Euch dabei begleiten durften!

Manuela Bauer und Wolf Ortlinghaus
Tagebuch der Nordsee - Überführung einer Hallberg Rassy 352
Coaching und Segeltrainings